Was der Seele gut tut

Was da auf meine Freundin und mich zukommt, weiß ich eigentlich auch dann noch nicht, als ich frühmorgens durch die Tür des Hotel Engel schreite. Aber irgendwie werden unsere Schritte schon gemütlicher, sobald wir dort angekommen sind, was sicherlich an der überraschenden Stille liegt, die einem hier drin sofort überkommt. Freundlich werden wir empfangen und in den „Holistic SPA€-Bereich begleitet. Sanfte Musik klingt von irgendwo her und ein schwerer Kronleuchter über den Treppen lädt ein, diese hinunter zu gehen, wo ich die erste Ayurveda-Massage meines Lebens bekommen soll. Nilantha Kumara Hettige wartet dort bereits auf uns. Der Ayurveda Therapeut stammt aus Sri Lanka und und lernte in der guten Schule des Dr. Swami Nath Mishra Ayur Yoga in Indien.

Von Kopf bis Fuß

Ich darf als erste in den Behandlungsraum. Dort ziehe ich mich aus, binde mir das kuschelige Handtuch um, setze mich auf den Massagestuhl und warte auf Nilantha. Nilantha ist auf ayurvedische Panchakarma-Behandlungen (Panchakarma ist die wichtigste ayurvedische Entgiftungskur) spezialisiert und ich – so erfahre ich nun – komme heute in den Genuss der Abhyanga-Ganzkörpermassage! Sie verbindet mehrere Techniken, die der Tiefenentspannung und der Vitalisierung des Körpers dienen. Klingt schon mal sehr gut. Wir beginnen mit etwas warmen pflanzlichen Öl und den Händen des Therapeuten auf meinem Kopf.
Hier wird nun ordentlich massiert und auch in meinem Gesicht werden einige Punkte stimuliert. Dann kommen Schulter und Nacken dran – meine persönliche „Achillesferse”, weil ich seit einem Unfall und der Geburt meines Sohnes ganz schön Probleme damit habe. Die Stimulation in diesem Bereich tut mir gut.
Erst dann soll ich mich auf die Liege legen – dort wird der Rest meines Körpers massiert. Nilantha erzählt mir, dass die Abhyanga-Massage belebend wirkt und die Verdauung anregt, Muskeln, Gelenke, das Bindegewebe und der gesamte Organismus gestärkt werden, die Haut wird strahlend und der Schlaf verbessert. Als ich nachfrage, ob das auch mit einem dreijährigen Kind funktioniert, das noch nicht durchschläft, müssen wir beide lachen. Aber da sich die Massage auch positiv auf die Ausdauer, Konzentration und Kraft auswirkt, könnten sich ja vielleicht auch diese Faktoren als Hilfe diesbezüglich erweisen. ;)

Eine „ehrliche” Massage

Während der Massage fällt mir auf, dass manche der Berührungen sehr angenehm, manche weniger angenehm sind. „Das muss so sein, der Körper muss spüren, dass da etwas gemacht wird”, lacht Nilantha. Streicheleinheiten bringen nichts, so sagt er. Gut, Nilantha ist halt ehrlich – und die Massage ebenfalls. Da wo es weh tun soll, tut es das tatsächlich auch. Einige Streicheleinheiten und Nicht-Streicheleinheiten später verlässt Nilantha den Raum, damit ich mich vor dem Anziehen noch kurz warm abduschen kann. Auf Duschgel verzichte ich – ich möchte das weiche Gefühl und den Duft des Massageöls für den restlichen Tag auf meiner Haut tragen. Nach der allerersten Ayurveda-Erfahrung meines Lebens bekomme ich noch ein heißes Ingwer-Getränk und einen Sitzplatz angeboten, um mich selbst wieder ganz langsam von meiner tiefenentspannen Stimmung herauszuholen. Ein perfekter Zeitvertreib, während ich auf meine Freundin warte, die gerade in denselben Genuss kommt wie ich eben.

Erinnerungen wollen festgehalten werden, daher knipsen wir anschließend an unsere Abhyanga ein Foto mit dem sympathischen und humorvollen Masseur und verabschieden uns. Immerhin wartet nun ein typisch ayurvedisches Mittagessen auf unsere hungrige Mägen.

Was der Bauer nicht kennt … sollte er kosten!

Auch was das Essen anbelangt, weiß ich noch so gar nicht, was mich erwartet. Asiatisch habe ich natürlich ab und zu schon mal gegessen, aber die ayurvedische Küche ist völlig neu für mich. Und wenn ich ganz ehrlich bin, dann bin ich nicht gerade experimentierfreudig, wenn’s um Essen geht. Als ich aber höre, dass meiner Freundin die ayurvedische Küche sehr gut geschmeckt hat (sie ist mir nämlich an diesem Tag, was die Erfahrung mit Ayurveda anbelangt, schon um Einiges voraus) und die Gerichte in erster Linie aus Reis und Gemüse bestehen, bin ich beruhigt. Und als dann der äußerst kreativ angerichtete Teller vor mir auf dem Tisch steht und der erste Duft durch meine Nase dringt, freuen sich Gaumen und Magen ganz aufrichtig auf die bevorstehende Mahlzeit.
Der Duft hat nicht zu viel versprochen: Der ayurvedische Kurkuma-Reis mit Erbsen und Zwiebelpulver schmeckt super-lecker und das, obwohl gar nicht viele Zutaten enthalten sind. Oder vielleicht gerade deshalb!
Gleichzeitig bekommen wir Zucchini und Knollensellerie serviert, ohne großen Schnickschnack, aber mit genauso viel Ästhetik und genauso viel ungewohnt gutem Geschmack! Sogar eine Nachspeise ist bei unserem Ayurveda-Mittagessen mit drin, eine Sojamilch-Panna Cotta mit Beeren. Vom Feinsten!
Theodor Falser, Chef der Engel- und Ayurveda-Küche, gesellt sich zu uns und erzählt, dass ein Ayurveda-Menü wie jedes andere Menü auch bis zu sechs Gänge beinhalten kann. „Hungrig geht bei uns niemand aus dem Restaurant”, sagt er. „Aber abends kann es auch mal weniger sein, und es werden dann z.B. gerne Suppen serviert.” Außerdem erzählt uns Theodor, wie schön es ist, wenn er mit seinen Gerichten etwas bei den Gästen bewirken kann. „Wenn der Ayurveda-Speiseplan konsequent durchgezogen wird, dann zeigen sich im Laufe des Urlaubs tatsächlich positive gesundheitliche Veränderungen am Menschen.”
Ganz ehrlich, wenn alles aus Theodors Ayurveda-Küche so schmeckt wie unser Mittagessen heute, dann dürfte das sicherlich kein Problem darstellen.

Fragen über Fragen

Mein Magen beginnt mit der Verdauung der ihm unbekannten Nahrung und ich beginne nachzudenken: Braucht mein Körper all die Lebensmittel, die ich ihm ständig zuführe? Habe ich genug Zeit für mich und meinen Körper – und das nötige Wissen darüber, was ihm und letztlich meiner Seele gut tut?

Am Ende dieses Schnupper-Erlebnisses bin ich ayurvedisiert – ob dies ein korrekter Begriff ist, weiß ich nicht, aber das ist ganz egal. Jedenfalls fühle ich mich wirklich so: ayurvedisiert! Mit diesen ersten Erfahrungen und reichlich Hintergrundinformationen über die traditionelle, indische Heilkunst gehe ich reicher und äußerst beflügelt nach Hause – und ein neues Bewusstsein für die eigene Gesundheit habe ich auch mit nach Hause genommen.